Das Spice ist heiß!

Aus einer Schreibwerkstatt für angehende Pornoautoren

Schreibhemmung - und die Ratgeber-Tante rät mir, den einunddreißigsten Dialog über die schlimmste Beleidigung zu schreiben, die mir kürzlich aus der Social Media Shithole entgegen geschwappt ist:

"Du Sohn einer Strack-Zimmermann!"

Schreibhemmung behoben - ich schreibe jetzt den ultimativen Marie-Agnes-Strack-Zimmermann-Porno! Die fünfte Actionsequenz handelt davon, wie Paul Ronzheimer mich von der Rüstungslobbyistin schubst und mir seinen Stahlhelm zu Halten gibt.

"Der Helm bleibt auf!" Marie-Agnes kreischt und ...

Darf ich das schreiben? Was ist, wenn Onkel Robert das liest? Und Tante Nancys NGOs? Und schon stottert der Spicemotor - kalter Erguss in das Grundgesetz. Überhaupt hat der Gesetzgeber wohl etwas gegen harte Pornografie. Wenn nur noch die Körper übrig bleiben, um von Streubomben oder Taurus-Marschflugkörpern zerrissen zu werden. Wenn die handelnden Figuren keinerlei Eigenschaften haben, die sie als individuelle Persönlichkeiten auszeichnen, sondern nur noch als Hackfleisch umherspritzen. Zweifellos dienen sie so der Lusterzeugung – vielleicht könnte man ja das zitierte Porno-Urteil gegen die Ampelregierung in Stellung bringen? Stellung ist das Stichwort.

"Wisch dich ab, du Putintroll!", zischt die böse Stimme vom Mastodon herab.

Zurück zum Text. Ich will weiterschreiben, mag aber kein Spanner sein. Ich tappe hinaus auf den Hotelflur und direkt in die Besenkammer. Hier gibt es ein Waschbecken und stapelweise Handtücher. Ich säubere mich und döse dann auf einem Hocker. Überlege, wer die letzte ehrliche und grundsympathische Frau war, der ich begegnet bin. In der digitalen Welt war es wohl Dorothee Sölle. Eine krasse Linkstönerin, die aber auch zugab, eine richtige kleine Nazizicke gewesen zu sein, die ihren Eltern drohte:

"Ihr wollt wohl unbedingt, dass Deutschland den Krieg verliert? Wenn ihr nicht meine Eltern wärt ..."

Solche Frauen gibt es heute nicht mehr.

"Wer ruft mir?" Die kräftige Altstimme gehört einer schlanken jungen Frau mit fransiger Kurzhaarfrisur in schwarzem Talar, mit steif gebügeltem Beffchen.

"Segnest du mich?", frage ich schüchtern. Sie tut es. Dorothee Sölle in der Besenkammer vernaschen, geht nun gar nicht. Da würde ich ja gleich von der Onlinekirche der EKMD exkommuniziert werden. Na egal, ich wollte eh austreten.

"Gehen wir etwas essen?", hilft sie uns aus der Situation.

"Gute Idee, ich habe noch das Honorar vom Poetry Slam gegen Rechts."

Im Restaurant erwischen wir den letzten freien Tisch und lassen uns das Menü des Abends empfehlen: Entenbrust mit Orangensauce und Blattsalat, sehr lecker, leicht und bekömmlich. Doro erzählt von ihren Dichterfreunden. Ich kann dazu sogar etwas beitragen: in der Reihe Poesiealbum ist kürzlich ein Heftchen mit Gedichten von Kurt Marti erschienen. Das wusste sie noch nicht. Später trinken wir Schwarzbier und kommen gerade in Stimmung, als Marie-Agnes mit einem unbekannten Kerl am Tisch steht, Typ Lobbyist oder Politiker.

"Ist hier noch frei?", fragt die Agnes. Ich wollte gerade "Geschlossene Gesellschaft" knurren, aber Doro hält mir sanft den Mund zu und macht eine einladende Geste. Die ultimative Stimmungstöterin!

"Gestatten Kiesewetter, Roderich!" stellt sich Agnes' Begleiter vor und knallt die Hacken zusammen. Jetzt geht auch noch Ronzheimer von Tisch zu Tisch und sammelt Geld in seinem Stahlhelm ein. Zum Glück hat Doro noch bündelweise DDR-Währung in den tiefen Taschen ihres Talars und spendet für mich mit. Sie erzählt von der Jungen Gemeinde in Friedrichshain zur Wendezeit. Um mithalten zu können, muss ich mich als Ossi outen, was Agnes ein Lächeln der Verachtung entlockt.

"Wir müssen den Krieg nach Ostdeutschland tragen!", brüllt Roderich.

"Und nach China", ergänzt Marie-Agnes mit überschnappender Stimme.

"Und ins Weltall", füge ich hinzu, kann aber die Ironie nicht so richtig deutlich machen. Überhaupt belegt Marie-Agnes die Doro immer mehr mit Beschlag, sie flüstern und berühren sich mit den Beinen. Dann schauen sie sich verschwiemelt an, gehen Hand in Hand aus dem Restaurant und verschwinden im Aufzug. Ich zahle und schnappe mir den Roderich. Paul Ronzheimer schaut auch schon lüstern herüber. Jetzt muss ich aber dringend die Ratgeber-Tante fragen, wie diese Geschichte weitergehen könnte.

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