Der Welt-Polizeireporter

Peter Scholl-Latour war in erster Linie Fernsehjournalist, berichtete von fast allen Krisenherden der vergangenen sechs Jahrzehnte. Immer faktenorientiert und historisch informiert, politisch engagiert sowieso, waren seine zumeist abendfüllenden Fernsehreportagen echte Straßenfeger. Die Zeitungsartikel und Bücher waren spätestens seit 1968 Zweitverwertung, im Osten unserer Heimat ohnehin nicht greifbar. Scholl-Latours Ausflug zum Vietcong im August 1973 machte ihn berühmt. Ließen sich Vorgänge nur schwer bebildern, erörterte er auch mal 10 Minuten am Stück, etwa die Entwicklung in Persien seit dem CIA-Putsch gegen den bürgerlichen Präsidenten Mossadeq im Sommer 1951, den »Urknall" einer politischen Leidensgeschichte bis heute. Kambodscha, Afghanistan, die Irak-Kriege des "Weltgendarmen", der leicht näselnde Schnellsprecher war überall live dabei.

 

Einen späten Frühling erlebte Scholl-Latour mit dem arabischen Frühling 2010-2011. In zahlreichen Talkshow-Auftritten garantierte er Spitzen-Einschaltquoten mit seinen meinungsstarken Einlassungen zu den gerade aktuellen Entwicklungen in Marokko, Libyen, Syrien, dem Iran und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion.

 

In den Youtube-Versionen nimmt sich das alles sehr solide und grundehrlich aus, jedenfalls ganz anders als der Journalismus, den Anja Reschke und Georg Restle heute so auf dem Bildschirm abliefern. Aber es geht ja um die Bücher Scholl-Latours, hier mit einem Best-of seiner Sachbücher zwischen 1979 und 2014. Dabei geht ein wenig die Fokussierung auf das westliche Großmacht-Handeln verloren, dafür muss der geneigte Leser dann doch noch zu »Die Welt aus den Fugen« (2012) und "Der Fluch der bösen Tat" (2014) greifen.

Peter Scholl-Latour. Betrachtungen eines Weltreisenden. Propyläen Berlin 2019. 22,- €