Frühling am Trollberg

"Der Schnee schmolz noch in den Senken; auf den weiten Heideflächen aber dampfte es von Wärme und Feuchte. Die ersten Zugdrosseln würmten im Espenlaub um den alten Trollberg, der seine heidebedeckte düstere Kuppe über den weiten Horizont hob. In einem Dickicht von Eichengestrüpp und Bergfichten auf ödem Felde schleckten kleine blaue Anemonen Sonne ..."

So begann das Frühjahr 1925 in Jütland und so beginnt Svend Fleurons Roman "Tyss und Tuff". Die ersten sonnigen Tage des Jahres wecken zahlreiche Kreuzottern aus ihrer Winterruhe, die sie gemeinsam in den Erdlöchern unter dem Trollhügel verbracht haben. Mit der steigenden Sonne steigt auch das Erzähltempo, doch dieser 174 Seiten lange Roman handelt nur vom Leben der Kreuzottern in einer dänischen Heidelandschaft.


Tyss ist das Weibchen und Tuff das Männchen, beide schon reiferen Alters. Wissenschaftlich exakt und ohne zu vermenschlichen folgt ihnen der Erzähler von der Frühjahrshäutung über die Paarungszeit, schildert ihr Jagdverhalten, das nachfolgende Gebären der Jungen - derart viel Empathie mit etwas so ganz Fremdem habe ich noch nie gelesen. Bei der großen Paarungsparty der Ottern wird es dann richtig expressionistisch:

"Und nun wanderte die Sonne mit Macht zur Höhe! Die Sumpfwässer der Wieken waren ihre Tiegel, darin sie das Silber ihrer weißen Strahlenbarren schmolz; man sah die Blüten dampfen und dunsten. Aa-aah! schnappte die große Unkenfrau - sie war glücklich hierher entschlüpft mit einem einzigen kleinen Männlein, das sie nun zur Belohnung doppelt zärtlich umfing. Und im Moorwasser an den Torfstichen entlang warfen sich auch die braunen Frösche der Lust des Lebens in die Arme."

Der große Konflikt zieht mit dem maschinellen Torfabbau im Trollmoor herauf. Nicht nur Tyss und Tuff werden getrennt, auch Insekten, Frösche, Kröten, Eidechsen, Mäuse, Wiesel und Vögel verlieren ihre Heimatreviere. Zwangsweise rücken die Kreuzottern an den Lebensraum der Menschen heran und werden in Massen erschlagen. Der erfahrene Tuff findet seine Mäuse nun im Umkreis eines Bauernhofes und gerät mit dem Hofhund in Konflikt. Tyss wird von einem botanisierenden Apotheken-Provisor eingefangen und unsachgemäß erforscht. Doch beide können entweichen und es gibt ein (keineswegs kitschiges) Happyend.

 

Ein wahrhaftiger Heimatroman, den man selbst lesen sollte. "Tyss und Tuff" gibt es preiswert antiquarisch, z. B. bei Booklooker, neben zahlreichen anderen Büchern von Svend Fleuron über Hunde, Katzen (!), Pferde, Kühe, Rehe, Wölfe, Füchse, Feldhasen, Dachse, Marder, Uhus, Waldkäuze, Buntspechte, Schwäne, Wildgänse, Wildenten, Raben, Hechte, Lachse, Ameisen und exotische Zootiere. Einige Bücher sind auch schon public domain, wie "Strix: Die Geschichte eines Uhus", das als kostenloses Ebook in der deutschen Übersetzung beim Projekt www.gutenberg.org erhältlich ist.

Svend Fleuron

Tyss und Tuff - Die Schlangen vom Trollberg

Sponholtz Grüne Reihe; Hannover 1959

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