Das rechnende Werk

Bei der jährlichen Museumsnacht am vergangenen Samstag waren auch diesmal mehr als 20000 Besucher in 86 Museen, Galerien, Sammlungen und Gedenkstätten unterwegs. Ich war u. a. im "Rechenwerk", einem neuen Computermuseum in Halle-Diemitz.

Eine Initiative von Privatleuten hat eine alte DDR-Kaufhalle erworben und ein Museumskonzept entwickelt, das seine Besucher die Geschichte der Rechentechnik von einfachen mechanischen Addiermaschinen um 1910 bis hin zum kompletten Prozessleitsystem von 1990 live erleben lässt.

Da die Museumsmannschaft lange in Räumen der Hochschule Merseburg Unterschlupf fand, ist auch das Ausstellungskonzept ein eher wissenschaftliches. Es geht also weniger um Gurus und Freaks, mehr um regionale Industriegeschichte, die DDR-Rechentechnik und ihren realen Einsatz in Forschung und Produktion. Der Exponate-Fundus wuchs und wurde, soweit möglich, repariert und dokumentiert.

Um 1960 erfolgte die Dateneingabe vorwiegend mechanisch, etwa mit einer Lochkarten-Stanz-Maschine aus Sömmerda.

Auch Lochstreifen waren beliebt, hier als Teil eines frühen Textverarbeitungs-Arbeitsplatzes in Aktion zu sehen.

Auch der Einsatz von Magnetspeichern und Daten-Fernübertragung bedeutete keineswegs das Ende der Lochstreifen.

Das Aufkommen von Arbeitsplatz-Rechnern erleichterte die Labor-Rationalisierung, hier eine kontinuierliche Durchfluss-Trübungsmessung.

Der "PC 1715" war ein frecher IBM-Nachbau und "mein" Computer in Leuna, den ich mir mit mindestens sieben Kollegen teilen musste. Aber ich hatte ein eigenes Unterverzeichnis "S". Noch heute ignoriere ich den Ordner "Eigene Dateien" und speichere alles in "S".

Noch ein Déjà-vu-Erlebnis: mein Heimcomputer, der "Z 1013" aus der volkseigenen Robotron-Konsumgüter-Produktion. Versand gab es nicht, der Kunde musste selbst nach Erfurt fahren, 800,- M auf den Tisch blättern und ein ansehnliches Paket nach Hause schleppen. Die Tastatur wurde aus drei Telefon-Tastenfeldern gebastelt, Speicher war ein Kassettenrecorder und als Monitor diente ein alter Schwarz-Weiß-Fernseher. Programme tippte man selbst vom Blatt ein oder schnitt sie beim Jugendradio DT-64 mit. Ja klar, "Opa erzählt vom Krieg", aber schön war es doch! Nach 1990 kamen dann die West-Rechner, in der Industrie hatte Ossi zwar nichts mehr zu sagen, aber es war noch nicht zu spät für Amiga, Atari & Co.

Das "Rechenwerk" in 06116 Halle-Diemitz, Saalfelder Straße 11 ist noch nicht regulär geöffnet. Besucher sind willkommen, mögen aber bitte selbst herausfinden bzw. vereinbaren, wann sie jemanden antreffen. Die Homepage ist http://rechenwerk.halle.it/

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